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Freitag, 29. März 2024
Ja, aber

Die zweischneidige Sache mit den Dashcams

Hintergrund | Dominik Schebach | 24.06.2018 | | 1  Archiv
(Foto: Garmin) (Foto: Garmin)

Totaler Datenschutz hin, absolute Persönlichkeitsrechte her, am Ende hat der pragmatische Ansatz gesiegt – oder einfach der Druck der Straße und die Macht der Bilder. So könnte man ein Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs lesen, das vor einigen Wochen gefällt wurde. Dieses erlaubte nun die Nutzung von Dashcam-Videos als Beweis vor Gericht. Es gibt allerdings ein großes ABER.

Nachdem die beiden vorgelagerten Instanzen die Verwendung der Bilder aus der Dashcam eines Unfall-Beteiligten zur Wahrheitsfindung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgelehnt hatten, gestattet nun das Urteil des BGH den Einsatz des Unfallvideos als Beweis. Es ist ein salomonisches Urteil, dass die Richter da gefällt haben. Denn eigentlich bleibt ein generelles Mitfilmen beim Fahren weiterhin verboten, wie das Gericht ausdrücklich feststellte. Eine Dashcam verletze den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der anderen Verkehrsteilnehmer. – Ganz besonders dann, wenn man die Aufnahmen so mir nichts dir nichts in Netz stellt.

Andererseits, gibt es ein Unfallvideo, dann kann dieses im Gerichtsverfahren bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Nachdem es gekracht hat, schätzt der BGH im Sinne der Wahrheitsfindung offensichtlich die Persönlichkeitsrechte der Unfallparteien geringer ein. Schließlich sollten diese in einem Verfahren ja bekannt sein und „es werden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind“, wie das Gericht argumentiert.  

Wer also, weil die Strecke so schön ist, die Kamera laufen lässt, oder ein Lehrvideo über das richtige Verhalten auf deutschen Autobahnen bei Tempo 250 anfertigt, und dann in einen Unfall verwickelt wird, kann die Aufnahme in einem allfälligen Gerichtsverfahren als Beweis verwenden – in Deutschland wohlgemerkt. Einen Haken hat die Sache allerdings: Die Polizei könnte nach einem Unfall die Dashcam auch beschlagnahmen und die Aufnahme gegen den Besitzer verwenden.

Ich persönlich bin sehr neugierig, inwieweit dieses Urteil in Österreich seinen Niederschlag finden wird, denn prinzipiell ist bei uns die Rechtslage ebenso verkorkst. So fallen in Österreich laut ÖAMTC die Dashcams unter die Video-Überwachung öffentlicher Bereiche, und sind damit genehmigungspflichtig. Wer also prinzipiell die Kamera laufen lässt, macht sich eindeutig strafbar. Eine Aufnahme für den rein privaten Zweck – wenn es sich nicht um eine systematische Überwachungstätigkeit oder bewusstes Sammeln von Beweismaterial handelt – ist aber auch in Österreich erlaubt. Und dann könnte die Aufnahme auch hier prinzipiell vor Gericht verwendet werden. Ein Veröffentlichen der Aufnahme unterliegt allerdings wieder den Regeln des Datenschutzes usw, usf.

Bleibt anzumerken: Die Richter des deutschen BGH haben mit ihrem Urteil sozusagen die Realität der Straße anerkannt. Selbst wenn ihre allgemeine Verwendung eigentlich verboten ist, wird man Dashcams nicht mehr aus dem Straßenverkehr verbannen können. Man kann also argumentieren, dass man in diesem Fall gleich einen vernünftigen Rahmen für ihre Nutzung schaffen sollte – z.B. in Form einer Unfallkamera mit verschlüsselter Speicherung des Videos, samt Fahrzeugdaten wie Geschwindigkeit und Position. Aber das ist eigentlich keine Aufgabe der Gerichte, sondern des Gesetzgebers. Wer jetzt allerdings begeistert dafür stimmt, weil er sich bei der letzten Verhandlung zu einem Verkehrsunfall den Kürzeren gezogen hat, und sich auch sonst generell im Recht sieht, der sollte sich einmal folgendes Szenario ganz genau durchdenken: Die Versicherungen gewähren allen Dashcam-Usern einen Rabatt…

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Kommentare (1)

  1. Frage

    Warum ist eigentlich das Sammeln von Beweismaterial verboten? Offen gefragt?

    Warum nicht der Exekutive jeden Tag 10 Videos vom Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot und Handygebrauch schicken? Ersteres Auslöser von rechts Überholen, zweiteres wirklich gefährlich?

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