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Donnerstag, 28. März 2024
Hot!Verhärtete Fronten

Neue SAT-Guidelines: M7 kritisiert, ORF kontert

Multimedia | Wolfgang Schalko | 10.10.2014 | | 6  Archiv
M7 Countrymanager Martijn van Hout sieht die Interessen der Privatsender durch die neuen ORF SAT-Guidelines beschnitten. M7 Countrymanager Martijn van Hout sieht die Interessen der Privatsender durch die neuen ORF SAT-Guidelines beschnitten.

Alles andere als glücklich mit den kürzlich veröffentlichten, neuen ORF-SAT-Guidelines (E&W Online berichtete) zeigt sich M7 Countrymanager Martijn van Hout in einer aktuellen Presseaussendung: Als Österreich-Verantwortlicher bei der Muttergesellschaft von HD Austria ortet er in den ab März 2015 geltenden Regeln eine „Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung” des ORF und eine „gezielte Diskriminierung” der Privatsender. Der ORF weist sämtliche Behauptungen als „unwahr” zurück.

Mit den neuen HD Guidelines für die Digital-SAT-Karte, würde der ORF seine Kunden „pflanzen“, lautet der Vorwurf seitens M7 – die sich unter dem Titel „Der programmierte Ärger mit der SAT-Karte“ folgendermaßen Luft machte:

Wer ab März 2015 einen neuen Fernseher oder Satelliten-TV-Receiver kauft, wird ein Gerät erhalten, auf dem dutzendweise ORF (HD)-Sender vorprogrammiert sind – die HD Programme der Privatsender werden aber so weit nach hinten verbannt, dass sie selbst für findige TV Interessierte nur mit Mühe zu finden sein werden. Das verlangen nämlich die neuen verpflichtenden HDTV – IRD Guidelines, die der ORF jetzt veröffentlicht hat.
Demnach erhalten ab 12. März 2015 nur mehr solche Fernseher und andere Satellitenempfangsgeräte die ORF TÜV-Zertifizierung, die eine von ORF-Seite erstellte, vorprogrammierte Kanalliste aufweisen. Diese Liste enthält auf den ersten 50 Plätzen zu mehr als der Hälfte ORF Sender. Sogar für Hitradio Ö3 und ORF2E wird noch ein Plätzchen vorne reserviert.
Erst nach mehr als 25 ORF Sendern landen geduldige TV-Konsumenten bei den HD Programmen der anderen Programmanbieter. Sender wie Puls 4, ProSieben Austria, RTL, RTL II, Kabel eins Austria oder Vox werden in der HD-Version sogar in den dreistelligen Bereich verbannt: Sie dürfen ausdrücklich nicht vor dem Programmplatz 100 programmiert werden.

Für die Käufer von Satelliten-TV-Empfängern bedeuten die neuen Guidelines eine Menge Ärger: Sie werden mit einer kundenunfreundlichen, vorprogrammierten Kanalliste zwangsbeglückt.
Für die Privatsender wie z. B. die Pro7Sat1Kabel1Puls4-Gruppe und die RTL-Gruppe stellen die Guidelines eine klare Diskriminierung dar, die gegen die Chancengleichheit verstößt und darauf abzielt, die Privaten zu benachteiligen. Auch HD-Austria, Österreichtochter der M7-Group und führender Vermarkter von Satellitenprogrammen in HD-Qualität in Österreich, sieht sich durch die angekündigten Guidelines in seiner Tätigkeit massiv behindert. „Hier liegt ein krasser Verstoß gegen den fairen Wettbewerb vor“, kritisiert der M7 Countrymanager für Österreich Martijn van Hout, „die Digital-SAT-Karte des ORF wird in Millionen österreichischen Haushalten tagtäglich verwendet. Der ORF missbraucht diese Monopol-Stellung, um seine privaten Mitbewerber zu behindern – und bürdet nebenbei auch noch seinen Kunden massive Nachteile auf. Das soll keinem Österreicher zugemutet werden dürfen.“
Wirft man einen Blick nach Deutschland, so könnte man lernen und sich das Ärgernis sparen: dort haben sich alle Sender – öffentlich-rechtliche (ARD, ZDF) sowie Private (Pro7-Gruppe, IP/RTL-Gruppe, etc.) – in einem fairen Abstimmungsprozedere auf einheitliche Anforderungen geeinigt und ermöglichen eine diskriminierungsfreie Programmreihung, die den Vorlieben der Zuseher entspricht. Somit steht dort – anders als in Österreich – das Fernsehvergnügen der Konsumenten im Mittelpunkt, nicht der Wunsch eines öffentlich-rechtlichen Senders nach Zwangsernährung der Zuseher mit den eigenen Programmen.

ORF weist M7-Behauptungen zurück
Der ORF reagierte prompt und weist die von M7 aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang mit den neuen Spezifikationen für die ORF-Zertifizierung von SAT-Receivern etc. als unwahr zurück.
Im Mittelpunkt der Weiterentwicklung der Spezifikationen stehe die Sicherstellung des höchstmöglichen Publikumsnutzens. Die Seherinnen und Seher müssten weiterhin die Möglichkeit haben, autonom zumindest eine freie Senderliste nach den eigenen Wünschen zusammenzustellen. Dies sei zuletzt bei den von M7 ausgespielten Vorprogrammierungen nicht möglich gewesen. M7 könne sein Modell auf Basis der bestehenden Verträge und Vorgaben selbstverständlich uneingeschränkt weiterhin anbieten.
Trotzdem müsse Flexibilität für die Seherinnen und Seher erhalten bleiben. Die angesprochenen Spezifikationen für die ORF-Zertifizierung würden ausschließlich für Receiver und Module gelten, die zusammen mit ORF-DIGITAL-Sat-Karten vertrieben werden (Anm. d. Red.: Ironischerweise bildet die ORF-Karte aber auch die Voraussetzung für den Empfang des HD Austria-Pakets). Ihr Zweck sei es, die vom Publikum erwartete einfache Auffindbarkeit der ORF-Programme sicherzustellen. Dieses Modell sei seit Jahren erfolgreich etabliert und funktioniere zur besten Zufriedenheit des Publikums und der Handelspartner.

Faktencheck
Ein näherer Blick auf die besagten Guidelines (zu finden unter diesen Link auf der ORS-Webseite – so wie auch die aktuell gültige Version) zeigt Folgendes:
Wie gehabt soll auch in Zukunft ORF1 HD auf Platz 1 und ORF 2 HD auf Platz zwei gereiht werden (nach Möglichkeit mit Bundesländerauswahl bei der ersten Inbetriebnahme). Die übrigen Bundesländer-Varianten sowie ORF 2 Europe und Hitradio Ö3 sollen irgendwo unter den ersten 100 Listenplätzen oder ganz am Ende der Kanalliste zu finden sein. Außerdem soll ORF III HD unter den ersten 15 und ORF Sport+ HD unter den ersten 20 Plätzen gereiht werden. Dieser Aspekt ist ebenso neu dazugekommen wie jener, dass sich auf den Listenplätzen 1-99 keine Programme und Dienste befinden dürfen, die über die Basis-Freischaltung der Karte durch ORF Digital hinaus noch einer Aktivierung durch Drittanbieter bedürfen – was die Angebote von HD Austria ebenso beinhaltet wie jene von Sky.
Genau darin ortet van Hout einen Verstoß im Wettbewerbsrecht: HD Austria sei im Gegensatz zu Sky nämlich kein Pay-TV, sondern ein Free-TV-Angebot, für das in der besseren HD-Qualität schlichtweg eine technische Bereitstellungsgebühr zu entrichten sei (Anm.: Was hier nach einer Spitzfindigkeit klingen mag, macht medienrechtlich sehr wohl einen Unterschied). Deswegen werde man dagegen auch entsprechend vorgehen: Für van Hout sind „mehrere unterschiedliche Wege, unter anderem über die Behörden“ denkbar – konkretisieren wollte er die geplanten Schritte aber nicht.

Weiters ist in den Guidelines übrigens die Möglichkeit vorgesehen, dass jeder Hersteller auch eine oder mehrere weitere Senderlisten zur Verfügung stellen könnte – was van Hout einerseits am technischen Verständnis der Kunden als auch aufgrund der zT fehlenden Möglichkeit bei mancher Hardware als unbefriedigende Alternative erachtet. Vorgeschrieben ist nun auch, dass der Konsument seine Senderlisten frei editieren und ordnen können muss – wo hingegen in den aktuellen Guidelines noch LCN (Logical Channel Numbering – dh die fest vorgegebene, von Kunden nicht änderbare Senderreihung, wie zB bei Sky-Receivern; Sky reiht seine Pay-TV-Programme auf den eigenen Receivern übrigens erst ab Platz 100) implementiert ist. Zwar nicht als Muss-, aber immerhin als Soll-Kriterium.

Dieser Aspekt macht auch den Blick nach Deutschland und der HD+ Plattform sinnvoll: Dort wird LCN eingesetzt – allerdings erst ab Listenplatz 100. Während Plattformbetreiber Astra hierfür die entsprechenden Kanallisten vorgibt, darf auf den Plätzen davor im Prinzip jeder Hersteller von HD+ Hardware tun und lassen, was er will. Dass die Mischung der Kanäle auf den vorderen Plätzen anders – und „bunter“ – erfolgt als hier in Österreich, ist zwar Tatsache, allerdings gelten bei unseren Nachbarn etwas andere Spielregeln: Als Plattform ist HD+ mit rund 1,4 Mio Kunden rund dreimal so stark wie HD Austria hierzulande (gemäß der Faustformel 1:10 und kolportierten Abo-Zahlen von 40-50.000 von HD Austria), die Gratisphase dauert 1 Jahr statt 3 Monate, der Preis ist mit 60 Euro pro Jahr (bis vor Kurzem noch 50 Euro) billiger als 7,90 Euro monatlich in Österreich und die Auswahl an Sendern sowie Services ist bei HD+ ebenfalls größer. Eines ist hüben wie drüben aber gleich: Wer nicht weiterzahlt, sitzt bei den HD-Versionen der Privatsender früher oder später vor einem schwarzen Programmplatz.

Fazit: Beide Parteien sehen sich im Recht – was angesichts der jeweiligen Interessenslage auf die eine oder andere Art auch nachvollziehbar ist. Und man darf nicht vergessen, dass ja weiterhin eine Geschäftsbeziehung zwischen der M7 Gruppe und der ORS als Serviceprovider besteht – die übrigens (vorerst) auch keiner beenden will.

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Kommentare (6)

  1. Qualität bleibt FTA

    Zum Glück sind Qualitätsprogramme wie ARD Alpha frei – damit unabhängig empfangbar während sich die Privaten und der ORF gegenseitig ihre Schädeln „einhauen“

  2. Die TÜV-Zertifizierung hat eine technische Berechtigung!

    Die TÜV-Zertifizierung soll vor allem sicherstellen, dass eine geeignete (= zertifizierte) Hardware für und mit ORF technisch einwandfrei funktioniert!

    Eine „erfolgreiche Zertifizierung“ aber von einer (vom ORF bevorzugten) speziellen Reihung der TV-Programme abhängig zu machen halte ich für kräftig übertrieben!

    Jeder hat seine „Lieblings-TV-Programme! Für sehr viele zählt der ORF aber nicht mehr dazu! Auch dann nicht, wenn man diese Programme auf vordere Positionen „zwingt“!

  3. Hansi

    Das Problem ist ganz einfach gelöst: FTA-Satempfänger nehmen, weniger zahlen und trotzdem gute Programme sehen – Stichwort deutsche öffentlich-rechtliche Programme. Auf ORF kann ich verzichten! Die DSDS Jury muss ich wirklich nicht in HD sehen 😀

  4. HD Guidelines für die „Katz“

    Ein Gerät muss nicht unbedingt „ORF zertifiziert sein“, es muss einfach dem CI bzw. CI+ Standard entsprechen. Dass manche Hersteller dem ORF sinnlos Geld in den Rachen schieben nur um das ORF Logo für Werbung verwenden zu können war schon immer sehr fragwürdig. Ich habe für hochwertige Home-Entertainment Lösungen seit 2005 immer AlphaCrypt Module verwendet, weil diese bis zu 4 Programme gleichzeitig auf einem MacroSystem DVC entschlüsseln und aufnehmen können. Die ollen Cryproworks und Irdeto steigen oft schon bei zwei Sendern aus. Dennoch war ein AlphaCrypt beim ORF noch nie offiziell bekannt. Warum sollte sich das jetzt ändern.

    Aber solange man gute Geräte anbietet, ist es komplett egal ob da ein ORF Logo klebt oder nicht.

  5. Kundenwusch zählt nicht.

    Warum hat die Receiversoftware keine Abfrage bei der Erstinstallation, ob der Kunde Pay-HD oder freies SD will?

    Aber dann hätten wir eine win-win-win-Situation, und sowas darf bekanntlich nicht sein.

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