Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Donnerstag, 28. März 2024
Umfangreiches Maßnahmenbündel vorgelegt

WKÖ: Lohn- und Sozialdumping gefährdet fairen Wettbewerb

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 22.06.2016 | |  Archiv

Besonders in Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland seien Betriebe aus Gewerbe und Handwerk von unfairem Wettbewerb betroffen, so die Spartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster. „Der Wirtschaft geht es das Einhalten der Spielregeln und um die ausnahmslose Kontrolle dieser Spielregeln. Die inländischen Betriebe werden bereits lückenlos kontrolliert, während die ausländischen Betriebe oftmals schwer zu fassen sind.“

Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz wiesen die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster, und die Präsidenten der Landeskammern Niederösterreich, Sonja Zwazl, der Steiermark, Josef Herk, und der Vizepräsident der Landeskammer Burgenland, Klaus Sagmeister, sowie der Leiter der Finanzpolizei, Wilfried Lehner, auf den großen Druck für Betriebe und steigende Insolvenzen hin.

Seit der Öffnung des Arbeitsmarktes im Jahr 2011 habe sich die Zahl der der Finanzpolizei vorliegenden Entsendemeldungen aus dem Ausland kontinuierlich erhöht: Wurden 2011 noch 2.540 Dienstnehmer aus dem Ausland zu Arbeitsleistungen nach Österreich entsandt, waren 2015 bereits 35.900 entsandte Arbeitnehmer zu verzeichnen. Daneben sei zusätzlich von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen.

Dabei zeige sich, so Lehner, dass ausländische Arbeitnehmer weit unter Kollektivvertrag entlohnt werden oder die doppelte Arbeitszeit leisten müssen. „Es gibt praktisch keine Unterlagen, die uns nicht schon als Totalfälschungen untergekommen sind. Vom Dokument der Anmeldung zur Sozialversicherung über die ZKO-Meldung bis zu den Lohnunterlagen wird alles von Fälscherwerkstätten produziert. Selbst die Identitätsausweise wie Personalausweis oder Reisepass werden gefälscht. Oft stecken gut organisierte Banden hinter diesem Betrug“, betont der Leiter der Finanzpolizei. Bei Vorliegen einer Gefährdung der Einbringlichkeit von drohenden Geldstrafen kommt immer häufiger das Instrument der Sicherheitsleistung bzw. einer Verhängung eines Zahlungsstopps zur Anwendung. 2016 wurde von dieser gesetzlichen Möglichkeit bereits in 66 bzw. 216 Fällen Gebrauch gemacht – Tendenz steigend.

Herk: Bessere Vernetzung der Kontrollkompetenzen der Behörden gefordert

„Insbesondere der Bau- und Baunebenbereich steht in der Steiermark im Fokus, wenn es um Lohn –und Sozialdumping geht. Und die Zahlen zeigen uns: Die Insolvenzhäufigkeit in der Baubranche, insbesondere in der südlichen Steiermark, steigt immens: So sind die steirischen Bauinsolvenzen im vergangenen Jahr um 24,2% gestiegen. Deshalb gilt es, die personelle Aufstockung der Kontrollorgane zu verstärken, denn in 70 Prozent Kontrollen von ausländischen Firmen gibt es Beanstandungen“, unterstreicht Josef Herk, Präsident der Wirtschaftskammer Steiermark. Eine bessere Vernetzung der Kontrollkompetenzen von Finanzpolizei, BUAK, Arbeitsinspektorat und GKK über die gemeinsame Baustellendatenbank bei der BUAK sei unbedingt erforderlich.

Herk verwies zudem auf eine kürzlich erstellte Studie der TU Graz, die große Preisunterschiede vor allem bei Angeboten von Entsendebetrieben aus dem Ausland – in erster Linie seit der Arbeitsmarktöffnung 2011 – festgestellt hat. Unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wäre demnach ein durchschnittlicher Preisunterschied von 10 Prozent gegenüber heimischen Betrieben erklärbar. In der Praxis seien aber 20 bis 30 Prozent Preisdifferenz feststellbar, in manchen Fällen bis zu 50 Prozent. Diese Spanne ist laut Studie legal nicht erklärbar, ergo auf illegale Machenschaften hinter der Grenze zurückzuführen. Die volkswirtschaftlichen Negativeffekte durch diese Wettbewerbsverzerrung beliefen sich allein im Hochbau auf 220 Millionen Euro pro Jahr (bundesweit). Verschärft werde diese Situation derzeit durch die wirtschaftlich schlechte Situation vor allem in den südosteuropäischen Ländern.

Zwazl: Kräftige Scherereien für private Auftraggeber bei Beschäftigung unseriöser Betriebe

Sonja Zwazl, die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, warnt vor allem auch private Auftraggeber vor unangenehmen Konsequenzen, wenn sie ausländische Unternehmen beschäftigen, die sich nicht an die Regeln halten. „Das betrifft nicht nur die Gewährleistung – wenn nach der Fertigstellung plötzlich Mängel auftauchen, weil gepfuscht wurde und die dafür verantwortliche Firma einfach verschwunden und nicht mehr greifbar ist. Statt etwas gespart zu haben, kommt die Sache dann richtig teuer. Was vielen Auftraggebern aber noch weniger bewusst ist als das Qualitäts- und Gewährleistungsrisiko, das sind die kräftigen Scherereien, die ihnen auch mit den Behörden drohen.“

Diese Konsequenzen reichen von Sicherheitsleistungen bis zum von der Behörde verhängten Zahlungsstopp. „Im Klartext heißt das: Die Baustelle steht – auf unabsehbare Zeit – still.“ Unter bestimmten Umständen seien künftig sogar Klagen von unterentlohnten ausländischen Arbeitnehmern gegen österreichische Auftraggeber möglich. Zwazl fordert, dass die Finanzpolizei Möglichkeiten wie Sicherheitsleistungen und Zahlungsstopps „im Sinne der Fairness für unsere Betriebe“ künftig noch stärker als bisher nutzt. „Und zugleich müssen wir auch den heimischen Auftraggebern noch viel stärker bewusst machen, dass sie sich mit der Beschäftigung von ausländischen Unternehmen, die sich nicht an die Gesetze halten, in Teufels Küche begeben – und es statt billig, für sie letztlich äußerst mühsam und teuer wird!“

Sagmeister: Auch Transportbranche bei Kabotage-Fahrten stark von Lohndumping betroffen

„Ausländische Mitbewerber, die mit Eigenpersonal in der Güterbeförderung etwa im Baustellen- und Zustellverkehr aber auch im Autobusbereich, Transportaufträge erledigen, werden immer mehr zu einem Problem. Auch wenn die Fahrten gesetzlich limitiert sind, sind Kontrollen sind schwierig und finden daher faktisch nicht statt. Zudem ist die Zahl der Kabotagefahrten realistisch nicht zu beziffern. Hier müssen wir ansetzen und rasch agieren und fordern eine gemeinsame ‚Einsatzgruppe‘ aus Verkehrs- und Finanzpolizei, die gezielt den Transportbereich auf diese Vorschriften hin kontrolliert“, betont der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Burgenland, Klaus Sagmeister.

Die bestehende EU-Verordnung erweise sich dabei in der Praxis als „zahnlos“, Grundlage für Kontrollen sei nun auch das Lohn- und Sozialdumpinggesetz hinsichtlich einer Anwendung des heimischen Kollektivvertrages. Ein Beispiel, wie zahnlos die Strafverfolgung in der Praxis ist, zeige die Bilanz der BH Neusiedl am See: Bisher wurden Strafen in Höhe von 1,1 Mio Euro über ausländische Unternehmen aufgrund des LSDBG verhängt, davon konnten nur 2.000 Euro vollstreckt werden. Von 160 Verfahren sind 155 offen. „Wir benötigen vor diesem Hintergrund konzertierte Kontrollen durch eine Haupt-Bezirkshauptmannschaft pro Bundesland. Und wir benötigen auf EU-Ebene ein Verwaltungsvollstreckungs-Abkommen mit allen Staaten, um Strafen auch vollstrecken zu können“, fordert Sagmeister.

Zum Hintergrund: Arbeitnehmer, die nach Österreich entsandt werden, haben Anspruch auf das in Österreich geltende Kollektivvertrags-Entgelt inkl. Sonderzahlungen, Zulagen, etc. Zahlt der ausländische Arbeitgeber diesen Betrag nicht, ist er nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz strafbar, so Rolf Gleißner, stellvertretender Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der WKÖ. Auch das österreichische Arbeitszeitgesetz gilt für die Tätigkeit in Österreich. Arbeitsrechtlich seien entsandte Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber somit österreichischen Arbeitgebern großteils gleichgestellt. Die anderen EU-Staaten hätten – mangels flächendeckender Kollektivverträge – diesen Standard nicht.

Bornett: Drei Viertel der Betriebe aus Gewerbe und Handwerk leiden unter Preiskonkurrenz

„Österreichweit leiden drei Viertel der Gewerbe- und Handwerksbetriebe unter massiver Preiskonkurrenz, die nicht zuletzt auch auf das Preisdumping ausländischer Unternehmen zurückzuführen ist“, erläutert Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria. Vom – teilweise ruinösen – Wettbewerbsdruck und Preiskampf sei vor allem die Bauwirtschaft in Ostösterreich betroffen. Einen Beleg dafür stelle die Umsatzentwicklung dar: Im Zeitraum 2011 bis 2015 sei der Umsatz des Bau- und Baunebengewerbes z.B. in Niederösterreich preisbereinigt um 7,3% gesunken, im Burgenland um rund 4%, Im Vergleich dazu verzeichneten die Betriebe in Tirol ein reales Wachstum von 7,8% und in Vorarlberg von 6,3%.

Scheichelbauer-Schuster: Schutz redlicher Betriebe in den Vordergrund rücken

„Im Vordergrund steht, dass wir die Schieflage, in der wir uns hinsichtlich des Wettbewerbs mit unseren angrenzenden Nachbarländern befinden, wieder gerade rücken. Unsere Forderungen zielen daher auf den Schutz der redlichen Betriebe durch eine Umsetzung der bestehenden Gesetze mit Hausverstand und Augenmaß“, betonte die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster.

Das bedeute, dass es zu einer Bündelung der Behörden zur besseren Durchsetzung der Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsbestimmungen gegenüber ausländischen Firmen kommen müsse und es mehr zielgerichtete Kontrollen und eine erhöhte Kontrollfrequenz zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Betriebe brauche. Österreich benötige eine schlagkräftige Vollziehung von Strafen im Ausland durch Verwaltungsvollstreckungs-Abkommen sowie eine konsequente Anwendung von Instrumenten wie Sicherheitsleistung und Zahlungsstopp, um schlagkräftige Gegenmaßnahmen zu setzen. Gerade aber auch im privaten Bereich müsse man private Auftraggeber über ihre Verantwortung aufklären, dass die Beschäftigung von unterentlohnten ausländischen Arbeitnehmern den privaten Auftraggeber selbst trifft. Dem privaten Auftraggeber müsse bewusst werden, dass er bei der Beauftragung ausländischer Unternehmen ein Risiko in Kauf nimmt. Und es gelte, redliche Betriebe für Fehler in der Personalverrechnung bzw. geringfügige Abweichungen und Formalfehler nicht zu kriminalisieren, Stichwort: Beraten statt Strafen. „Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Politik bereit ist, hier mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Wir hoffen, dass im Sinne des heimischen Standortes mit Weitsicht agiert wird, denn unsere mittelständischen Betriebe stehen hier unter einem immensen Druck“, so Scheichelbauer-Schuster abschließend.

Diesen Beitrag teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden