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Donnerstag, 28. März 2024
Steirische Unternehmen reichen Verfassungsbeschwerde ein

Registrierkassenpflicht wird Fall für Höchstrichter

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 30.10.2015 | | 6  Archiv

Die mit 1. Jänner 2016 in Kraft tretende Registrierkassenpflicht lässt in vielen heimischen Betrieben die Wogen hochgehen, v.a. der vielen offenen Fragen und somit der fehlenden Rechtssicherheit bzw. des fehlenden Investitionsschutzes. Darum haben sich nun mehrere steirische Unternehmen mit Unterstützung der WKO Steiermark und von zwei renommierten Rechtsexperten zu einer Verfassungsbeschwerde entschlossen, die Klarheit schaffen soll.

Die Tischlerei Pieber, das Gastronomie-Unternehmen Josef Wilhelmer sowie eine Schmuckdesignerin, die anonym bleiben will, gehen – unterstützt von der WKO Steiermark und den beiden Rechtsexperten Professor Johannes Heinrich und Professor Klaus Poier – juristisch gegen die Registrierkassenpflicht vor. „Viele Details sind nach wie vor völlig offen. Wir pochen auf Klärung“, betonen WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk und Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk.

Hauptkritikpunkt Nummer eins ist und bleibt die Verhältnismäßigkeit. Bisher legte die Barbewegungsverordnung eine Grenze von 150.000 Euro Jahresumsatz fest, ab 1. Jänner müssen Unternehmer bereits ab 15.000 Euro – davon 7.500 Euro in bar – eine Registrierkasse verwenden. „Für viele kleine Betriebe ist das unzumutbar. Nicht zuletzt deshalb, weil eine Umsatzsteuerpflicht erst ab Umsätzen von 30.000 Euro besteht und eine Einkommensteuerpflicht überhaupt erst ab einem Gewinn von 11.000 Euro zum Tragen kommt“, kann er WKO-Steiermark-Präsident  nur den Kopf schütteln. Hauptkritikpunkt Nummer zwei ist die fehlende Rechtssicherheit bzw. der fehlende Investitionsschutz. Denn die Vorschriften für den sogenannten Manipulationsschutz bei Registrierkassen treten erst ab 1. Jänner 2017 in Kraft, der technische Startcode für die dafür notwendige Sicherheitseinrichtung soll mit 1. Juli 2016 vorliegen. „Was aber passiert mit jenen Registrierkassen, die in der Zwischenzeit gekauft werden und danach vielleicht wieder nicht dem Gesetz entsprechen?“, fragt sich nicht nur Herk.

Offene Fragen, auf die es bis dato keine Antworten gibt. Diesbezüglich hat die Bundespolitik auch „Straffreiheit“ für die ersten sechs Monate nach der Einführung der Registrierkassenpflicht angekündigt (E&W Online berichtete). „Ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem nun weitere folgen müssen“, so Herk. Denn der vorliegende Erlass bringe noch immer keine Rechtssicherheit, zahlreiche Details seien nach wie vor offen. Das würden auch die vielen Anfragen zeigen, die die Experten der WKO Steiermark tagtäglich bekommen: Mehr als 5.000 Unternehmer haben sich in den letzten Wochen und Monaten an ihre Interessenvertretung mit Fragen zur Registrierkassenpflicht gewandt. „Fragen, auf die wir oftmals keine Antworten geben können“, kritisiert Herk. Aus diesem Grund unterstützt die WKO Steiermark – unter Federführung der Sparte Gewerbe und Handwerk – nun auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die von der Registrierkassenpflicht unmittelbar betroffen sind, bei den Individualanträgen auf Normenkontrolle, die beim Verfassungsgerichtshof einzubringen sind. Denn auch führende Rechtsexperten, wie Professor Johannes Heinrich vom Institut für Rechtswissenschaften der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt sowie Professor Klaus Poier vom Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre der Karl-Franzens-Universität, zweifeln an der Verfassungskonformität der Registrierkassenpflicht in der vorliegenden Form.

Konkret wurden bisher drei Individualanträge vorbereitet, weitere werden folgen, wie Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk berichtet: „Rechtssicherheit ist das Minimum, das jeder Unternehmer, ja jeder Staatsbürger, in einem Hochsteuerland wie Österreich verlangen darf. Darum unterstützen wir unsere Mitglieder selbstverständlich bei ihrem gerechtfertigten Anliegen auf Investitionsschutz. Denn derzeit können wir niemandem sagen, welche Kassensysteme in einem Jahr tatsächlich gebraucht werden. Aus diesem Grund haben wir nun die Verfassungsbeschwerde vorbereitet, aus unserer Sicht muss die Einführung der Registrierkassenpflicht um ein Jahr verschoben werden.“ In dieselbe Kerbe schlägt auch Herk: „Uns geht es nicht darum, die Registrierkassenpflicht grundsätzlich zu verhindern. Was wir fordern, ist lediglich eine ordnungsgemäße und rechtssichere Durchführung.“

Professor Johannes Heinrich zur juristischen Vorgehensweise: „Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Umsatzverkürzungen zu bekämpfen und zu vermeiden, steht zweifelsohne im öffentlichen Interesse, doch stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden kann. Nach der Rechtsprechung des VfGH müssen gesetzliche Regelungen nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch verhältnismäßig sein. Wenn ein Unternehmer keine Umsatzsteuer schuldet und die Einkommensteuerpflicht seiner Gewinne fraglich ist, sind aufgebürdete Investitionskosten von mehr als 1.000 Euro für eine Registrierkassa und nachfolgende Servicekosten unverhältnismäßig, wenn eine lückenlose Erfassung von Umsätzen aufgrund der Belegerteilungs- und Einzelaufzeichnungspflicht bei Barumsätzen auch auf günstigere Weise, etwa durch Verwendung von Kassablöcken, erreicht werden kann. Einen Antrag auf Normenkontrolle an den Verfassungsgerichtshof kann jeder stellen, der behauptet, unmittelbar durch ein verfassungswidriges Gesetz in seinen Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Erlass eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Die Nichterfüllung der Registrierkassenpflicht ist ab 1.1.2016 strafsanktioniert. Da es unzumutbar ist, einen Strafbescheid abzuwarten, wirkt die Registrierkassenpflicht bereits heute unmittelbar auf die betroffenen Personen.Die Anträge werden auf Aufhebung der Registrierkassenpflicht als solche lauten. Da der Verfassungsgerichtshof nur befugt ist, Gesetze aufzuheben, nicht aber abzuändern, kann der Verfassungsgerichtshof weder die Umsatzgrenzen für eine Befreiung von der Registrierkassenpflicht anheben, noch von sich aus das Inkrafttreten der Regelung nach hinten verschieben.“

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Kommentare (6)

  1. Gibts Erfahrungen

    Vorhin wurde schon die cbird.at Kassa genannt, die ist aber sehr sehr schlicht.
    Gibt es Erfahrungen mit dieser Kassa -http://www.easy2000.net/Download.htm- , da ist der Preis auch interessant, die kann lt. Beschreibung eine Menge?

  2. Spannendes Thema!

    Weil offensichtlich HEUTE NIEMAND (selbst die Finanz nicht!) wirklich weiß, welche Dinge MORGEN und WIE ÜBERHAUPT UMGESETZT werden sollen!

    Wir haben derzeit ein, auf uns maßgeschneidertes, Mehrplatz-fähiges Kassen-System (inkl. elektronischem Radier-Verbot) mit Anbindung an unsere maßgeschneiderte Warenwirtschaft in Verwendung – wie sehr viele Kollegen auch!

    Dieses „System“ sollte VORERST, lt. unserem Software-Anbieter (nach einem klärenden Informationsgespräch mit „zuständigen Experten vom Finanzamt“!) VORERST im ersten Schritt den „bisher bekannten Vorgaben“ (die offensichtlich im beschlossenen Umfang dort auch NIEMAND zu kennen scheint!) entsprechen – selbstverständlich OHNE GEWÄHR!!!

    In weiterer Folge soll dann (bis 2017!) in unser bestehendes Kassen- bzw. Warenwirtschafts-System noch ein „tägliches/regelmäßiges/selbstständiges Reporting an die Finanz“ (was da im einheitlichen Dateiformat übermittelt werden soll, OHNE das Datenschutz-Gesetz zu brechen, weiß derzeit auch niemand so genau!) Soft- und Hardware-seitig „implementiert werden“ müssen, um dann endgültig das „OK vom Finanzamt“ zu erhalten!

    Die geplante „Über-Regulierung“ mündet in eine problematische „Gängelung“ ALLER Betriebe und Konsumenten und verursacht auf UNSERER Seite Kosten und Unmut – der geplante „positive finanzielle und moralische Effekt dieser unseligen Maßnahme wird im überwiegenden Maß ausbleiben!

    Außer Spesen – NIX gewesen!

    UNSERER ALLER GELD zum Fenster hinaus zu werfen, WERTE zu vernichten, zum Wohle ALLER Menschen im Land scheint heute wirklich NIEMANDEN mehr zu stören – angesichts bald 289 Milliarden Euro (= bald 4 Billionen ehemalige Schilling!) Staatsschulden!

    Maßnahmen zum Schuldenabbau sind leider unbequem, unpopulär = politischer Selbstmord! Und werden daher erst gar nicht angegangen! Da ist es politisch wesentlich korrekter und einfacher, mit geeigneten Mitteln „böse Finanz-Verbrecher“ zur Strecke zu bringen – und wenn dann keine Verbrecher mehr da sind, die man noch verfolgen könnte, per Verordnungen immer weitere Tatbestände“ zu schaffen!

  3. Von wegen ganz normales Gesetz.

    Wenn es ein ganz normales Gesetz wäre, gäbe es von Anfang an detailierte Vorgaben zur technischen Umsetzung aus anderen EU-Ländern.

    Über die Unverhältnismäßigkeit für kleine Betriebe braucht man garnicht reden.

    Wir benutzen seit Jahren ein gut funktionierendes EDV – System mit fortlaufenden Belegnummern.

    Jetzt muss/soll umgerüstet werden.

    € 800,– wurden in den Raum Gestellt bezüglich der Kosten.

    Habe mich intensiv umgesehen und kein System gefunden, welches man um die besagten € 800,– erstehen könnte und unsere Anforderungen im Elektrohandel erfüllt ( Wobei keiner wirklich sagen kann, ob diese Systeme dann auch ab 2017 für den Einsatz genehmigt sind ).

    Da ist man bei € 2500,– aufwärts ( ohne Hardware ) und dann kann man sich auf laufende Kosten so um die € 100,–/ Monat einstellen.

    Bei den Spannen in unserer Branche wird der Gedanke überlegenswert die Selbstständigkeit einfach sein zu lassen.

    Wie kommen wir dazu PAUSCHAL der Betrügerei verdächtigt zu werden.

    MFG
    Mini Händler

  4. Für mich gibt es nur eine Erklärung

    Ein Befürworter bei den Entscheidungsträgern dieser unsinnigen Registrierkassen hat einen Bekannten oder Verwandten in der Registrierkassen Industrie. Anders ist so etwas von unsinnig nicht zu erklären. Sind die in der Steiermark denn die Einzigen die sich etwas zu sagen trauen oder sagen, die restliche WKO schläft schön ruhig weiter.

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