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Freitag, 29. März 2024
Hot!„Die Rechenmodelle müssen auf realistische Beine gestellt werden“

HV zu KV-Verhandlungen: „Erhöhung um 11% ist undenkbar“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 25.10.2023 | |  
Der Handelsverband äußerst sich zu den aktuell laufenden KV-Verhandlungen im Handel. Die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung um 11% sei aus Sicht des Verbandes „undenkbar“, denn das würde eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren, so Handelsverband GF Rainer Will in einer Aussendung.

Der Handel sei ein attraktiver Arbeitgeber. Allerdings sei man im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen nicht für die Kaufkraftstabilisierung der Gesamtbevölkerung zuständig, sondern für die mehr als 560.000 Handelsangestellten und Handelsarbeiter. „In vielen Bereichen bestehen Überzahlungen, um engagierte Kräfte zu halten. Die kollektivvertragliche Basis ist die Unterkante“, sagt Handelsverband GF Rainer Will.

Undenkbar

„Die von der Gewerkschaft geforderte KV-Erhöhung um 11 Prozent ist für uns undenkbar, denn das würde eine nachhaltige Arbeitsplatzsicherung verunmöglichen und viele Handelsbetriebe wirtschaftlich ruinieren. Wichtig ist heuer jedenfalls, dass die teuerungsabfedernden Maßnahmen der Bundesregierung wie die Abschaffung der kalten Progression oder die Teuerungsprämie in die Berechnung des Kollektivvertragsabschlusses einbezogen werden, nachdem sich die Unternehmen ob der Kostenbelastungen und der real rückläufig entwickelnden Einnahmen weiterhin im Krisenmodus befinden“, so Will weiter.

Handel und Baugewerbe am stärksten von Insolvenzen betroffen

Kürzlich habe auch die Statistik Austria bestätigt, dass der Handel mit seinen 93.200 Betrieben der Wirtschaftszweig mit den meisten Unternehmen sowie die beschäftigungsintensivste Branche des Landes ist. Das soll laut Will auch weiterhin so bleiben. „Leider zählt die Branche bei den Margen zu den Schlusslichtern. Hinzu kommt, dass aktuell jeder zweite Händler angibt, heuer Verluste zu erwirtschaften“, erklärt der HV GF.

Im Vergleich mit dem noch von den Corona-Lockdowns durchzogenen Jahr 2021 sind die einzelhandelsrelevanten Ausgaben der privaten Haushalte im Vorjahr um real -0,3% auf 75,1 Mrd. Euro gefallen. Heuer werde die Nachfrage im Einzelhandel erneut signifikant sinken, ist Will überzeugt. „Laut der jüngsten Prognose von Kreutzer Fischer & Partner um -3,9%. In manchen Handelssparten geht die Prognose sogar von einem inflationsbereinigten Rückgang von mehr als 10% aus. Auch der eCommerce wird 2023 erneut verlieren, wir erwarten ein Minus von -9,3%“, sagt Will.

Laut dem Alpenländischen Kreditorenverbandes (AKV) wurden heuer seit Jahresanfang in Österreich bereits 2.423 Firmeninsolvenzen eröffnet. Der Handel ist dabei mit 604 Pleiten neben dem Baugewerbe am stärksten betroffen. „Laut KSV1870 sind die Insolvenzen im Handel im Zeitraum Q1 bis Q3 2023 sogar um +12% auf 737 Fälle gestiegen“, ergänzt Will.

Fokus auf Arbeitsplatzsicherung & Reform der Zuschläge

„Daher appellieren wir an die Gewerkschaft GPA, ihre Verantwortung bei der nachhaltigen Arbeitsplatzsicherung wahrzunehmen, damit die Arbeitskräfte auch über den Jahreswechsel hinaus in dauerhafter Anstellung bleiben können. Ein überzogener Abschluss, der die Anti-Teuerungsinstrumente der Bundesregierung nicht berücksichtigt und einberechnet, ist heuer nicht mehr leistbar, ohne heftige wirtschaftliche Kollateralschäden auszulösen“, so Rainer Will.

Gerade auch im Bereich der Zuschläge sei dringender Handlungsbedarf gegeben. „Hier besteht vor allem bei der Lage und der Höhe der Zusatzkosten, die dem Arbeitgeber erwachsen, mittlerweile jahrzehntelanger Reformstau. Im Kern geht es darum, beschäftigungsintensiven Unternehmen die Anstellung neuer Mitarbeiter zu erleichtern, nicht zu erschweren.“

Daher sei es für den Handelsverband „unverständlich, dass die jüngsten Forderungen der Gewerkschaft in ihrer Vielschichtigkeit die Bürokratie und Komplexität in der Anwendung des Kollektivvertrags sogar noch weiter verschärfen würden. Vielmehr braucht es eine Entschlackung des Kompendiums.“

Tank ist leer

Nach dem KV-Verhandlungsstart zähle nun die Zeit bis zur nächsten Gesprächsrunde, wie Will sagt. „Die Rechenmodelle müssen auf realistische Beine gestellt werden und seitens der Gewerkschaft Verbesserungen angeboten werden, damit die Erhaltung der Beschäftigung in Zeiten der Krise leichter ermöglicht wird. Arbeitszeitverkürzung in einer Zeit des Arbeitskräftemangels zu fordern ist kein Beweis für ein realitätsnahes Verständnis der vorherrschenden Situation.“

Und: „Mit leerem Tank kann man nicht weit fahren. Bei 737 insolventen Handelsunternehmen ist der Tank bereits leer. Die Großinsolvenzen im Handel führten fast zu einer Verdoppelung der gefährdeten Arbeitsplätze von 7.635 auf 14.242 betroffene Dienstnehmer. Mittelständer und kleinere Nahversorger sind hier noch gar nicht eingerechnet. Ein zu hoher Abschluss wäre ein Pyrrhussieg, der nach dem Weihnachts- und Umtauschgeschäft ab Ende Jänner zu negativen Arbeitsplatzeffekten führen würde.“

Es braucht Verständnis

Von allen Seiten brauche es das Verständnis, dass der Handel seit 2020 im Krisenmodus stecke und sich nicht wie andere Branchen bereits erholen konnte, führt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch aus. „Die Warenkäufe stagnieren derart, dass bereits heuer 6.400 Filialschließungen stattgefunden haben und bis zum Jahresende 1.000 Gemeinden ohne Nahversorger dastehen könnten. Daher ist die volkswirtschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, damit der Einzelhandel die Ortskerne nicht verlässt und damit die Nahversorgung gewährleistet bleibt.“

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