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Donnerstag, 28. März 2024
Geschichten vom Nachtkastel – Teil 8

Von RAF bis Einstein und Kästner

Hintergrund | Andreas Rockenbauer | 22.04.2018 | |  Archiv

Fünf Bücher haben es wieder auf mein Nachtkastel geschafft und die Warteliste wird nicht kleiner. Ein Trend setzt sich fort: Die Sachbücher überwiegen. Auch wenn ich zum Teil erst ein paar Seiten gelesen habe, kann ich guten Gewissens sagen: Die sind alle richtig gut!

Wie rasch vier Wochen vergehen, sieht man an dem Haufen bedruckten Papiers (derzeit 1.920 Buchseiten), das auf meinem Nachtkastel ständigen Veränderungen unterworfen ist. Diesmal liegt da eine Mischung, die gar nicht typisch ist für meine Lesegewohnheiten: U.a. zwei politisch/geschichtliche Bücher… Beide aber unheimlich spannend und erhellend. Schon eher mir entsprechen die restlichen: ein schöner Kästner-Roman, ein Buch über Management/Kreativität und ein Wissenschaftsbuch über eine Einsteinsche Vorhersage…

Konkret liegen folgende Bücher derzeit auf meinem Nachtkastel:

Der Gang vor die Hunde (Erich Kästner, Roman, Atrium)

Als der Kommunismius stürzte und mir nichts mehr heilig war (Susanne Sohn, Sachbuch, Löcker)

Disruptive Thinking – Das Denken, das der Zukunft gewachsen ist (Bernhard von Mutius, Sachbuch; Gabal)

Einsteins Ahnung – Das Rennen um den Nachweis der Gravitationswellen (Govert Schilling, Sachbuch, Piper)

„Die RAF hat euch lieb” – Die Bundesrepublik im Rausch von 68 – Eine Familie im Zentrum der Bewegung (Bettina Röhl, Sachbuch, Heyne)

 

Der Gang vor die Hunde

Als Kind habe ich Erich Kästner-Bücher verschlungen und immer, wenn mein Vater sich über den Schönheitswahn von Frauen lustig machen wollte, zitierte er den Autor: „Und wenn es Mode wäre, sich die Fingernägel blau zu schlagen, sie täten´s auch.” Es ist nicht große Literatur, aber sehr feine Erzählkunst. In diesem Fall: Ein Werk, das übel entstellt wurde und erst jetzt in der Originalfassung erschienen ist. In der alten Fassung habe ich den Roman schon einmal verschlungen, schauen wir mal, was die aktuelle bringt…

Klappentext:

Fabian ist Erich Kästners Meisterwerk. Doch der Roman wurde vor seinem Erscheinen 1931 verändert und gekürzt, denn der junge Kästner hatte in seinem ersten Roman alle Register gezogen.

Das machte das Manuskript für den Verlag zu einem Sprengsatz, den das Lektorat mit spitzen Fingern entschärfte und der dann – entgegen Kästners ursprünglicher Intention – schließlich unter dem Titel Fabian erschien.

Noch in der verharmlosten Fassung galt das Buch vielen als dekadent und obszön. Kästner selbst sagte dazu: „Dieses Buch ist nichts für Konfirmanten, ganz gleich, wie alt sie sind.”

Vom Kästner-Experten Sven Hanuschek Wort für Wort rekonstruiert und mit einem umfassenden Nachwort versehen, bietet Der Gang vor die Hunde ein Leseerlebnis, das seinesgleichen sucht.

Es geht um gekaufte und verkaufte Liebe, um Sehnsucht und Selbstmord, um eine Zeit, die sich verliert, in Berlin, dem zärtlichen Moloch der Moderne.

 

Als der Kommunismius stürzte und mir nichts mehr heilig war

Über das Buch bin ich in einem Kurier-Artikel gestolpert und musste es gleich bestellen. Schon nach den ersten Seiten habe ich gewusst, dass das eine gute Entscheidung war. Stellenweise verfällt die Autorin – einst Vorsitzende der KPÖ – zwar in einen etwas holprigen Fachjargon, sonst ist es aber sehr gut zu lesen, spannend, entlarvend – und entwaffnend ehrlich.

Klappentext:

Die Autorin reflektiert über die Geschichte der KPÖ, die engen Beziehungen zu den deutschen Kommunisten, die Spionage und undurchsichtigen Finanzen. Sie rechnet nicht nur mit den Dogmatikern und Schönfärbern kommunistischer Diktaturen und deren Massenverbrechen ab, sondern auch mit den eigenen Illusionen, Glaubenssehnsüchten und dem Verdrängen der schrecklichen Wahrheit.

Susanne Sohn war eine Insiderin. Lange Jahre aktives Parteimitlied, wurde sie gemeinsam mit Walter Silbermayr 1990 als Vorsitzende der KPÖ gewählt. Im Hintergrund stürzte gerade der reale Sozialismus ein.

Die Turbulenzen ergriffen die gesamte kommunistische Bewegung. Die Diskussionen und heftigen Fraktionskämpfe, über die sie berichtet, brachen ähnlich in allen kommunistischen Parteien aus.

Schon im März 1991 verließen die Vorsitzenden, viele Parteimitglieder und Funktionäre die Partei. Wie der Versuch Gorbatschows in der Sowjetunion scheiterte die Erneuerung auch in der KPÖ.

 

Disruptive Thinking

Diese Buch liegt derzeit sozusagen aus professionellen Gründen auf meinem Nachtkastel: Es soll Thema einer größeren Rezension in der kommenden Ausgabe der E&W werden, weil das Schlagwort der Disruption derzeit in aller Munde ist und meiner Meinung nach gut die Herausforderungen der Zukunft beschreibt. Auch für unsere Branche.

Die Frage ist: Hält der Autor, was ich mir von seinem Text verspreche? Die ersten Seiten haben mir jedenfalls Lust auf mehr gemacht. Und auch rein optisch hat der Verlag ganze Arbeit geleistet.

Klappentext:

Brauchen wir eine kreative Revolution? Unsere Welt ist unsicher geworden. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im gesellschaftlich-sozialen Bereich erleben wir den Übergang von einer alten in eine neue Welt.

Dabei geht es um viel mehr als um die bloße Digitalisierung der verschiedenen Lebensbereiche: Es geht um die Grundlagen unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens selbst.

Zukunftsdenker und Unternehmensphilosoph Bernhard von Mutius fordert nichts weniger als ein völlig neues Denken: Disruptive Thinking. Ein Denken, das sich zum Ziel setzt, eine neue Anpassungsfähigkeit zu entwickeln und Gestaltungsfreiheit zu gewinnen.

Wir müssen die Brüche in unser Denken integrieren, im Wissen das Nichtwissen immer schon mitdenken und Widersprüche produktiv machen. Disruptive Thinking ist Ausdruck einer kreativen Revolution, die alle Lebensbereiche umfasst und die uns zukunftsfähig macht.

 

Einsteins Ahnung

Ich liebe Wissenschaftsgeschichten, die sich oft spannender als Thriller entpuppen und deren Helden kluge Köpfe sind, die ihr ganzes Leben einer einzigen Idee und der Suche nach der Lösung widmen und dabei oft ganz schräge Dinge machen.

Selbst in einer Zeit, in der eher große Teams gemeinsam Jagd auf die Geheimnisse der Natur machen, gibt es sie noch: Die Spinner und ihre Geschichten. Nicht zu vergessen, die Autoren, die aus tollen Geschichten noch bessere Bücher machen – auf meinem Nachtkastel liegt gerade eines…

Klappentext:

Als ein Team von Astronomen am Montag, dem 14. September 2015 um 9:50 Uhr eine aus Gravitationswellen bestehende Botschaft von der Kollision zweier Schwarzer Löcher in einer weit entfernten Galaxie registriert, bewahrheitet sich eine hundert Jahre alte Vorhersage von Albert Einstein.

Die erste direkte Messung einer Gravitationswelle wird zu Recht als eine der bedeutendesten wissenschaftlichen Entdeckungen des neuen Jahrhunderts gefeiert.

Spannend und mitreißend erzählt Govert Schilling von aufwühlenden Kontroversen, bitteren Rückschlägen und ganz erstaunlichen Leistungen der Forscher, die seit Jahrzehnten darum gekämpft haben, Einsteins Teheorien über die Krümmungen in der Raumzeit zu beweisen.

Nebeinbei erklärt er allgemein verständlich, wie unser Universum aufgebaut ist, was unter Lichtgeschwindigkeit und Gravitation zu verstehen ist, und macht Ausflüge in die Physikgeschichte von Aristoteles bis Galileo Galilei.

 

„Die RAF hat euch lieb”

Die Zeit, in der ich alles, was es über die RAF zu lesen gab, verschlungen habe, ist zwar vorbei, aber die Faszination will mich nicht ganz loslassen. Aber nicht, weil ich auch nur irgendwie bewundernswert finde, was dieser Haufen an menschenverachtenden – und im Grunde genommen diletantisch agierenden – Wirrköpfen angerichtet hat, sondern weil es die damalige Zeit widerspiegelt, einem unter die Haut geht und einige Rätsel rund um bestimmte RAF-Anschläge bis heute nicht gelöst sind.

Daher musste ich sofort zugreifen, als ich von dem neuen RAF-Buch einer der Meinhof-TöchterBettina Röhl – gehört habe. Für den „bewaffneten antiimperialistischen Kampf” hatte Ulrike Meinhof ihre Töchter einst verlassen und sie brutal einer Sache geopfert, die von Anfang an verloren war…

Klappentext:

Bettina Röhl, 1968 in Berlin eingeschult, lernt als Kind viele Protagonisten von 68 kennen. Sie hat 1970 miterlebt, wie Ulrike Meinhof zusammen mit Horst Mahler, Andreas Baader und Gudrun Ensslin die RAF gründete. Die angehende Terrorgruppe verschleppte Bettina Röhl und ihre Schwester Regine im Sommer 1970 in ein Barackenlager auf Sizilien. Nach ihrer Befreiung durch Stefan Aust und Peter Homann wuchsen sie bei ihrem Vater Klaus Rainer Röhl in Hamburg auf.

Was dachte, fühlte und schrieb Ulrike Meinhof in den Jahren 1968 und 69, bevor sie in den Untergrund ging? Wie schätzte sie ihre eigene Lage und die der RAF nach ihrer Verhaftung 1972 ein? Bettina Röhl gelingt anhand bisher unveröffentlichter Briefe, Anwaltsakten und Interviews mit wichtigen Zeitzeugen eine noch nie dagewesene Nahaufnahme von Ulrike Meinhof in den Jahren 1968 bis 1974.

Ganz nebenbei schreibt die Autorin auch einen Teil ihrer eigenen Biografie. Die großen und leider auch zum Teil tödlichen Irrtümer von 68 haben die Gesellschaft nachhaltig gespalten, Hass hat Hass gesät. Mit großer Liebe, Nachsicht und mit klarem Standpunkt setzt Bettina Röhl in diesem Buch auf Versöhnung.

 

Ich wünsche Ihnen allen eine spannende Lektüre mit Ihren ganz persönlichen Bestsellern und freue mich immer über Buchempfehlungen!

Fortsetzung folgt…

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