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Dienstag, 16. April 2024
Hot!Plattform für offenen Urheberrechtsdialog

Für einen Kurswechsel beim Urheberrecht

Hintergrund | Die Redaktion | 12.12.2012 | Bilder | |  Archiv
Verschiedene Vertreter unterschiedlicher Initiativen und Parteien fanden gestern bei einem Gegengipfel bzgl der Urheberrechtsdebatte zusammen. Verschiedene Vertreter unterschiedlicher Initiativen und Parteien fanden gestern bei einem Gegengipfel bzgl der Urheberrechtsdebatte zusammen.

Wie E&W berichtete, fanden sich gestern, Dienstag, Vertreter zivilgesellschaftlicher Initiativen sowie diverser Parteien zu einem Gegengipfel zusammen, um Argumente zu sammeln, die bei der offiziellen Diskussion zur Neugestaltung des Urheberrechts zu kurz kommen. Während am selben Tag Vertreter der Industrie und diverse Interessenverbände ins Justizministerium eingeladen waren, hat die Piratenpartei Österreichs diese Plattform ins Leben gerufen, um auch anderen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen. Über der Kritik am aktuellen Arbeitspapier des Ministeriums und konkreten Einzelvorschlägen für eine tatsächliche Modernisierung des Urheberrechts stand ein Generalmotto: nämlich die Entkriminalisierung der Internetnutzer. E&W war natürlich vor Ort.

Zu Beginn der Diskussion, die von der Falter-Redakteurin Ingrid Brodnig moderiert wurde, fasste Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit sein Unbehagen über die bislang bekannt gewordenen Vorschläge des Innenministeriums zusammen: „Wir dürfen mehr dafür bezahlen, damit wir leichter und öfter kriminalisiert werden.“

Elisabeth Hakel, SPÖ-Sprecherin für Creative Industries, meinte überhaupt, dass damit ein neues ACTA vor der Tür steht. Das umstrittene Handelsabkommen wurde Anfang dieses Jahres nach massiven Bürgerprotesten zurückgezogen. Peter Purgathofer, Wissenschaftler und Professor an der technischen Universität Wien stellte klar, dass das Internet neue Voraussetzungen für die Verbreitung von Wissen geschaffen habe und man nicht den Versuch unternehmen solle, mit gesetzlichen Regelungen in die alten Zeiten zurückzukehren.

Die Punkte im durchgesickerten Arbeitspapier des Ministeriums weisen aber genau in diese Vergangenheit und das zu Lasten der Rechte der Internetnutzer, so der Vorwurf.

Es enthält etwa Vorschläge für Rechtsdurchsetzung durch den Zugriff auf Providerdaten oder ein Abmahnwesen nach deutschem Vorbild. Die Verlierer: Künstler und Internetnutzer. Von Handel und Industrie ist sowieso ganz zu schweigen.

Von Seiten des Justizministeriums wurde zwar inzwischen dementiert, dass an eine Verwendung der Vorratsdaten für die Verfolgung von Rechteverletzern gedacht sei. Für Markus Stoff sei das aber eine rhetorische Finte.

Die angestrebte Verwendung von gespeicherten Providerdaten würde die Vorratsdatenspeicherung noch stärker im Rechtsbestand festschreiben. Joachim Losehand vom Verein VIBE!AT (Verein für Internet-Benutzer Österreichs) kritisierte vor allem, den Vorschlag für einen Kostenersatz in Höhe von 100 Euro bei „einfach gelagerten Fällen“ als konsumentenfreundlich auszugeben. Einerseits sind darin die Anwaltskosten für die Verteidigung noch nicht enthalten und andererseits gebe es keine Definition dafür, was ein „einfach gelagerter Fall“ oder „gewerbliches Ausmaß“ sei.

Diese Definitionen müssten dann im Zuge langer und auch für den Steuerzahler äußerst kostspieliger Prozesse erst festgesetzt werden. Davon würden nur Anwälte profitieren, aber nicht die Künstler. Michel Reimon von den Grünen zeigte auf, dass es schon im derzeitigen System massive Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Gelder durch die Verwertungsgesellschaften gebe. So fließen etwa große Anteile in „Bekämpfung von Offline- und Online-Musikpiraterie“ und gehen gar nicht an die Künstler selbst.

„Wir führen eigentlich keine Urheberrechtsdebatte, sondern eine Verwertungsgesellschaften-Diskussion“, so Reimon.

Auswege und Lösungsansätze

Allen Teilnehmern der Diskussion war klar, dass es keine schnelle und einfache Lösung für diese Fragestellung geben kann. Verwertungsgesellschaften und jene Teile der heimischen Industrie, die davon profitieren, sind für die Durchsetzung ihrer Interessen gut organisiert und sie haben auch ausreichend Budget für Kommunikation. Genau daran mangelt es jenen, die sich für zeitgemäße Modelle einsetzen. Michel Reimon schlug deshalb die Gründung einer eigenen Verwertungsgesellschaft für Digitalia vor. Wobei man sich hier die Frage stellen kann, ob es wirkliich noch eine Verwertungsgesellschaft mehr braucht.

Jedenfalls braucht es eine stärkere Vernetzung, um alternative Argumente und Modelle in den offiziellen Diskurs einzubringen. Peter Purgathofer plädierte etwa für das vom Chaos Computer Club entwickelte Modell der Kulturwertmark. Dabei zahlen Teilnehmer einen Fixbetrag in ein System ein und bestimmen selbst, an welche Künstlerinnen und Künstler das Geld gehen soll. E&W sprach allerdings gestern mit einem Künstler, der komplett gegen Urheberrechtsabgaben eintritt und Wissen und Kultur „barrierefrei“ verbreitet sehen will.

Elisabeth Hakel von der SPÖ sieht wiederum einen Lösungsansatz in einer Breitbandabgabe und betonte die Bedeutung eines Urhebervertragsrechtes. Dieses müsse unbedingt Bestandteil einer Urheberrechtsnovelle sein, um so die Position der Kreativen zu stärken. Gleichzeitig muss man aber anmerken, dass es gerade durch das Internet für Künstler noch nie so einfach war wie heute, Personen und Kunden auch über Grenzen hinweg zu erreichen. Schließlich musste man früher, um beispielsweise Van Gogh zu erleben, mehr oder weniger zufällig an seinem niederländischen Dorf vorbeikommen. Das Internet als solches kann eine Stärkung der Position von Kreativen bedeuten – und sollte nicht in einer verallgemeinernden Kriminalisierung von Kunstnutzern münden, wie es derzeit bei den Debatten oft der Fall ist.

Der Urheberrechtsdialog muss jedenfalls als echter Dialog geführt werden und darf Initiativen nicht „aus Platzgründen“ ausschließen. Am Nachmittag vor der Diskussion hatten Engagierte die Möglichkeit, ihre Wünsche und Bedenken in Form von Videostatements an Bundesministerin Beatrix Karl heranzutragen. Diese werden sukzessive auf www.urheberrechtsdialog.at veröffentlicht.

Bilder
Die Vortragenden. Leider war auch bei den Zuhörern mit Ausnahme der E&W die Elektro-Branche eher karg vertreten.
Die Vortragenden. Leider war auch bei den Zuhörern mit Ausnahme der E&W die Elektro-Branche eher karg vertreten.
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