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Donnerstag, 25. April 2024
Hot!„Schneller, konsequenter Cut“ – [Update] Wettlauf um die Mitarbeiter

Kika/Leiner schließt 23 von 40 Standorten

Hintergrund | Dominik Schebach | 06.06.2023 | |  Branche, Unternehmen
23 Standorte der Möbelkette sollen geschlossen werden. 23 Standorte der Möbelkette sollen geschlossen werden. Überraschend hat die Signa Retail Gruppe mit Ende Mai Kika/Leiner verkauft. Das operative Geschäft des zweitgrößten österreichischen Möbelhauses ging an das Managementteam um Hermann Wieser. Die Immobilien wurden von der in Graz ansässigen Supernova Gruppe übernommen. In einem ersten Schritt kündigten die neuen Eigentümer eine umfassende Restrukturierung des strauchelnden Möbelhauses an. So sollen 23 der 40 Standorte des Unternehmens geschlossen werden.

„Wir sind angetreten, um kika/Leiner zu retten. Und wir retten jetzt, was zu retten ist“, erklärte der neue CEO Hermann Wieser. Um dem Unternehmen das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen seien nun tiefgreifende Einschnitte sowie ein „schneller, konsequenter Cut“ notwendig. Damit soll laut Wieser das Möbelhaus vor allem auch langfristig wieder wirtschaftlich lebensfähig sein. Man hätte die Kette mit einem operativen Verlust in der Höhe von mehr als 150 Mio Euro übernommen. Der Liquiditätsbedarf betrage bei sinkenden Umsätzen monatlich rund 8 bis 10 Mio Euro. Strategische und wirtschaftliche Gründe machen deswegen die Schließung von 23 Filialen sowie eine erhebliche Reduktion der Zentralabteilungen in der Verwaltung notwendig.

Tiefe Einschnitte

„Bedauerlicherweise sind die Hauptleidtragenden die Mitarbeiter, die am wenigsten dafür können“, so der neue Kika/Leiner-Chef. Aus diesem Grund habe man gemeinsam mit den Betriebsräten für die durch Kündigung betroffenen Mitarbeiter ein Maßnahmenpaket beschlossen. Von den 3900 Mitarbeitern sollen 1900 gekündigt werden.

In Zusammenarbeit mit großen überregionalen Anbietern aus Handel und Gewerbe wie OBI, BILLA, BIPA, PENNY, Tedi, Müller, Deichmann, Action, NKD können allen Mitarbeitern, die daran interessiert sind, Jobangebote gemacht werden – dafür wird eine Job-Plattform eingerichtet, auf die alle Mitarbeiter zugreifen können. Zusätzlich wird ein Fonds zur Abfederung von Härtefällen eingerichtet.

Geschlossen werden per Ende Juli 2023 die Leiner-Standorte in Judenburg, Wels, Linz, Steyr, Amstetten, Vöcklabruck, Villach und Wien-Nord sowie die Kika-Standorte in Lienz, Mistelbach, Liezen, Ried, Feldbach, Leoben, Saalfelden, Horn, Unterwart, St. Johann, Wörgl, Stockerau, Imst, Eisenstadt und Wien-Ottakring. An diesen Standorten beginnt ab sofort der Abverkauf mit massiven Preisreduktionen. Die Maßnahmen für ein noch besseres Sortiment und vor allem für eine höhere Kundenzufriedenheit sollen dazu beitragen, dass die bestehenden Kunden gehalten werden können und neue Kunden dem Unternehmen Kika/Leiner wieder ihr Vertrauen schenken.

Investitionen

Die Gründe für die Schieflage des Unternehmens sieht Wieser vor allem in Management-Fehlern, explodierenden und nicht an die Rahmenbedingungen angepassten Kosten, komplizierten, personalintensiven Abläufen, einer falschen Markenstrategie und in zu geringer Flächenproduktivität. In der Folge haben die aktuelle Marktsituation mit sinkenden Umsätzen aufgrund von Corona, Ukrainekrieg, hohen Energiekosten, hohen Zinsen und verschärften Vergaberichtlinien für Kredite – das seien laut Wieser die Haupttreiber für die Krise am Haus- und Wohnungsmarkt – die Gesamtsituation verschärft.

Daneben will Wieser allerdings auch investieren. Insgesamt soll ein hoher zweistelliger Millionenbetrag in das Traditionsunternehmen investiert werden. Damit will man Themen wie Kundenzufriedenheit, Markenstrategie, Sortiment, Zielgruppenausrichtung, Online Shop, aber auch neue Flächennutzungskonzepte und das Outsourcing von nicht profitablen Teilbereichen evaluieren und überarbeiten.

 

[Update, 7. Juni 2023] Der Wettlauf um die Mitarbeiter hat schon begonnen

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es nicht verwunderlich, dass die Nachricht der Kündigungen sofort andere Handelskonzerne auf den Plan gerufen hat. Einer der ersten war REWE-Vorstand Marcel Haraszti: „Wir haben derzeit rund 3.000 offene Stellen in 400 unterschiedlichen Berufsfeldern vom Verkauf über die Logistik bis hin zur IT, Einkauf oder Marketing. Als österreichischer Nahversorger sind wir zudem lokal stark verankert und können rasch sichere Jobs in jeder Region bieten.“

Aber auch SPAR Österreich bietet allen betroffenen Mitarbeitern sofort Jobs an. „SPAR ist Marktführer im österreichischen Lebensmittelhandel und der größte private österreichische Arbeitgeber sowie Lehrlingsausbilder. Interessierten und motivierten Menschen stehen bei uns im ganzen Unternehmen Tür und Tor für einen sicheren Job bei SPAR offen“, erklärt Hans K. Reisch, stv. Vorstandsvorsitzender bei SPAR.

Und auch Liedl hat sich schon in die Phalanx der Konzerne eingereiht, der Tür immer offen steht.: „Wir sind immer auf der Suche nach guten und motivierten Mitarbeiter:innen. Selbstverständlich steht den ehemaligen Mitarbeiter:innen von kika/Leiner die Tür bei uns offen. Alle Interessierten können sich ganz einfach und unbürokratisch auf unserer Homepage bewerben“, erklärt Alessandro Wolf, CEO Lidl Österreich.

Während sich die Handelskonzerne um neue Mitarbeiter werben, raten Gewerkschaft und Arbeiterkammer den Betroffenen zur Vorsicht. Verunsicherte Arbeitnehmer sollten sich demnach sofort an die Gewerkschaft wenden, heißt es in einer Aussendung von Christine Heitzinger, Vorsitzende des Fachbereichs Dienstleistungen in der Gewerkschaft vida: „Wir rufen alle betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich bei ihrer zuständigen Gewerkschaft zu melden und nichts ohne Beratung durch die Gewerkschaft vida zu unterschreiben. Die Verunsicherung unter den Beschäftigten ist groß. Wir stehen als Gewerkschaft mit Unterstützung zur Seite.“

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