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Samstag, 27. April 2024
Hot!„Beschränkung des Online Handels” kostet Media-Saturn 1,23 Mio. Euro, Pioneer 350.000

Vertikale Preisabstimmung: Die BWB bittet zur Kasse

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 16.06.2014 | | 5  Archiv

Ende Februar hatte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) fünf Geldbußenanträge gegen österreichische Unternehmen der Elektronikindustrie und Elektronikhandel eingebracht – wegen „kartellrechtswidriger vertikaler Preisbindungen im Zusammenhang mit aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, welche zum Teil eine Behinderung des Absatzkanales 'Online Verkauf' von Unterhaltungs- und Haushaltselektronik bezwecken oder bewirken.” Nun wurden die ersten Entscheidungen bekannt gegeben: die Media-Saturn BeteiligungsgmbH, die SSA Fluidra Österreich GmbH und Pioneer müssen zahlen.

Fünf Anträge auf Verhängung von Geldbußen in Höhe von insgesamt 2,1 Mio. Euro waren von der Bundeswettbewerbsbehörde gestellt worden, drei davon sind entschieden: Wie die BWB auf ihrer Homepage bekannt gab, wurden in folgenden Fällen Bußgelder verhängt:

BWB/K-302 Geldbußenentscheidung gegen Media-Saturn BeteiligungsgmbH
Das Kartellgericht hat am 23.4.2014 (zu 26 Kt 19/14) eine Geldbuße in der Höhe von EUR 1.230.000,- gegen Media-Saturn verhängt.
„Über die Media-Saturn BeteiligungsgmbH wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen mit Unternehmen der Elektronikindustrie zwischen Oktober 2009 und Anfang 2013, die diverse Elektronikprodukte betrafen, gemäß § 29 Z1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 1.230.000,- verhängt.“

BWB/K-352 Geldbußenentscheidung SSA Fluidra Österreich GmbH
Das Kartellgericht hat am 8.5.2014 (zu 29 Kt 21/14 ) eine Geldbuße in der Höhe von EUR 50.000,- gegen SSA Fluidra verhängt.
„Über die SSA Fluidra Österreich GmbH wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005, nämlich vertikaler Preisabstimmungen mit mehreren Handelsunternehmen betreffend Pool- und Teichreinigungsroboter einschließlich Behinderung eines Absatzkanals (Online-Handel) im Zeitraum April 2011 bis Juni 2013, gemäß  § 29 Z1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 50.000,- verhängt.“

BWB/K-317 Geldbußenentscheidung gegen Pioneer
Das Kartellgericht hat am 25.3.2014 (zu 27 Kt 20/14) eine Geldbuße in der Höhe von EUR 350.000,- gegen Pioneer verhängt.
„Über die Pioneer Electronics Deutschland GmbH wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG 2005, nämlich vertikaler Preisabstimmungen im Zusammenhang mit der Behinderung eines Absatzkanals (Online-Verkauf) von Elektronikprodukten, insbesondere Receivern, im Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2012, gemäß  § 29 Z1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 350.000,- verhängt.“

Dem kartellgerichtlichen Verfahren gingen jeweils Hausdurchsuchungen aufgrund richterlicher Hausdurchsuchungsbefehle voraus. Jede der drei Entscheidungen ist rechtskräftig.

Hintergrund: Geldbußenanträge der BWB gegen Elektronikindustrie und Elektronikhandel
Ihr eigenes Vorgehen begründet die BWB folgendermaßen:
„Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat Ende Februar beim Kartellgericht fünf Anträge auf Verhängung von Geldbußen in Höhe von insgesamt € 2,1 Mio. gegen österreichische Unternehmen der Elektronikindustrie und Elektronikhandel eingebracht. Die Zuwiderhandlungen betreffen vor allem Unterhaltungs- und Haushaltselektronik. Auslöser der Ermittlungen war ein Artikel betreffend einer Studie zum Online-Handel der Wirtschaftsuniversität Wien Ende 2011 der im Wirtschaftsblatt publiziert wurde. In dieser Studie gaben 47,2% der befragten Online-Händler an, dass die Elektronikindustrie die Weiterverkaufspreise der Händler vorgibt und Unterschreitungen des vorgegebenen Preisniveaus durch Druckausübung (zB Kündigung des Selektivvertrages, Lieferverweigerung, usw.) korrigieren lässt. Basierend auf diesen Ergebnissen hat die Bundeswettbewerbsbehörde im Jahr 2012 eine Untersuchung des Online-Handels aufgenommen, in deren Verlauf sich der Verdacht auf kartellrechtswidrige Preisabstimmungen der Elektronikindustrie in Bezug auf die Weiterverkaufspreise des Handels erhärtet hat.
Ein kartellrechtlicher Verstoß liegt vor, wenn im Zusammenhang mit Preisbindungsmaßnahmen ein Absatzkanal (Online-Verkauf) behindert wird, um die Systematik der Preisbindung aufrechtzuerhalten. In diesem Sinne kann etwa die Ausschaltung (bzw Behinderung) eines preisaktiven Internetanbieters dazu geeignet und bestimmt sein, die insgesamt herrschende Preisstabilität aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.“

In einer ersten Reaktion gegenüber der APA kündigte die Geschäftsführung von Media Markt und Saturn Österreich an, ihre Mitarbeiter künftig besser schulen zu wollen. Man werde die „Fortbildungsprogramme weiterentwickeln und unsere Prozesse öfter und intensiver monitoren“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Außerdem wird betont, dass „Media-Saturn als Unternehmensgruppe zu keinem Zeitpunkt Preisabsprachen veranlasst hat“.
Seitens Pioneer wollte man sich nicht zur Strafe äußern: Man gebe zu Preisabsprachen routinemäßig keinen Kommentar ab, so ein Sprecher.

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Kommentare (5)

  1. Es ist auch deshalb kompliziert …

    … weil der stationäre Handel von seinen erwirtschafteten Deckungsbeträgen, so wie der Online-Handel auch, ÜBERLEBEN will!

    Kompliziert auch deshalb, weil es hier einen unterschiedlichen Spannenbedarf gibt. Die Aufwendungen für eine ordentliche Waren-Präsentation (notwendige „Ausstellungsfläche“), ein deutlich höherer Personalaufwand für Fachhandel-adäquate Produkt-Beratung (Produktbetreuung für Zustellung, Aufstellung und Service, Nachsorge) u. ä. sind gegenüber dem Online-Handel deutlich größer! Dieser verwendet auch noch, wenn möglich, die Logistik der zuliefernden Vertriebspartner hin bis zum Endkunden anstelle eigener Logistik/Lager-Kapazitäten um (legitim) Kosten zu sparen!

    Kompliziert auch deshalb,weil sich der Online-Handel keine Gedanken für die Produkt-Nachsorge außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung bzw. anderer gesetzlicher Auflagen macht und seine Kunden, geografisch abseits der Hersteller-Kundendienste/Servicepartner hier großteils im Regen stehen lässt.

    Kompliziert, weil auch für Online-Händler (gilt ausdrücklich auch für Amazon) die Ertragssituation zunehmend schwieriger wird (siehe letzte Konkurse)!

    In der öffentlichen Meinung scheint es zur Zeit vermehrt „ziemlich verpönt“ zu sein „Gewinne zu erwirtschaften“! Dabei wird von den Menschen offensichtlich vergessen, dass WIR ALLE als Steuerzahler dann für solche erwirtschaftete Verluste und mangelnde Steuerleistung durch schwindende Erträge schließlich um diese Beträge MEHR BEZAHLEN MÜSSEN!

    Kompliziert auch, weil dies auch offensichtlich wider besseren Wissens von einer Mehrheit der Menschen im Land nicht verstanden (=kapiert) werden will – weil Internet-Spezial-Postenangebote mit tollen Preisen blenden und damit der gesunde Menschenverstand im öffentlichen Hirn einfach abgeschaltet wird! Draufzahlen sollen ja immer „DIE ANDEREN“!

    Zum Nachdenken an die BWB: Das ist wie der „Schuss ins volkseigene Knie“ im vollen Lauf „gegen die Wand“!

  2. Das ist alles sehr kompliziert…

    Hat schon unser Ex-Bundeskanzler Sonowatz erkannt.

    Einerseits gibt es zumindest in Österreich die Vertragsfreiheit. Also jeder Hersteller oder Großhändler kann entscheiden, wen er beliefert und wen nicht.

    Andererseits gibt es das Verbot der Behinderung bestimmter Vertriebsformen (vulgo „Onlinehandel“).

    Klingt nach einem Konflikt.

    Vielleicht waren auch die EU Gesetze nicht für Amazon, sondern für die, im Vergleich zu v.A. US-Amerikanischen Onlinehändlern, viel zu schwachen europäischen Onliner gedacht. Oder auch zur Unterstützung des Multichannel.

    Ich möchte auch keineswegs Amazon in Schutz nehmen, aber die Preise sind nicht immer unvorstellbar niedrig. Und ich vermute mal, dass einzelne besonders niedrige Preise nicht durch Minusmargen bei Amazon entstehen. Vielmehr meine ich, dass ein derart großer Abnehmer gewisse Begehrlichkeiten der Industrie weckt. Was tun bei Überproduktion oder noch nicht erreichten Quartalszahlen? Bei Amazon sind ein paar tausend Stück gleich mal untergebracht. Welcher Händler, ja selbst welche Kooperation schafft das? Selbst Media/Saturn tuen sich da schwer.

    Und was die Preise bei Amazon betrifft, die sind auch nicht ihres Geldes Feind. Man denke nur einige Zeit zurück, wie die Großfläche begann massiven Preisdruck zu machen. Ist schon gefühlte 15 bis 20 Jahre her, aber wer lange genug dabei ist, kann sich sicherlich gut erinnern, dass auch damals davon die Rede war, dass damit das Ende der kleinen Händler eingeläutet sei. Hat auch einige wenige erwischt, aber ausgestorben sind wir noch lange nicht. Auch damals war von Beratungsdiebstahl, etc. die Rede.

    Was die Beratungsqualität betrifft, teile ich die Meinung nicht (mehr), dass dies im Fachhandel viiel besser sei als Online. Hier hat sich in den letzten Jahren extrem viel getan. Auch auf den Herstellern-Webseiten. Der vielzitierte mündige Kunde ist heute bestens informiert und hat, weil er sich ja exklusiv mit seinem Problem beschäftigt, oft ein sehr viel detailreicheres Wissen als es der beste Verkäufer haben kann. Private Rezensionen und Bewertungen tragen da noch zusätzlich bei.

    Ohne Onlineschiene wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Das Kundenverhalten ändert sich eben. Und da reicht kein Primitv-Webshop. Jeder sollte sich ansehen, was Amazon mittlerweile online leistet. Da steckt schon ordentlich Hirnschmalz dahinter. Kundennutzen und Kundenbindung wird hier fast schon perfekt vorexerziert. Das heißt jetzt nicht, dass man sich fürchten muss, aber man sollte schon eine eigene Strategie für die nächsten 2 bis 5 Jahre entwickeln. Warum also z.B. EP: mit seinen etwa 1300 Outlets (EP+COMTeam+SP) hier keine zentrale Plattform mit Abholmöglichkeit vor Ort hat ist ein Rätsel. Man schaue nur, wie sehr sich Media/Saturn bemüht in dem Bereich Fuß zu fassen. Online bestellen und nahe dem Zuhause abholen ist derzeit absolut der Trend. Noch ist vielen Kunden, trotz Internetaffinität, ein physisch vorhandenes Geschäft sympatischer.

  3. Behinderung des Onlineverkaufs

    Wohin es führt, alle Preisabstimmungen rigoros zu verbieten sieht man ja momentan in der Branche wirklich gut. Wie steht die BWB zu den Konkursen großer Internethändler? Sieht so das Paradies für Konsumenten aus? Will die BWB den stationären Handel ausrotten? Nur ein paar Fragen die mir sicher niemand beantworten wird

  4. War dabei

    War selbst bei der Hausdurchsuchung dabei. Die BWB dreht ihnen wenn sie will aus jeder Kleinigkeit einen Strick. Klar, wird schon ein paar „Verfehlungen“ gegeben haben. Aber sicher nicht mit Vorsatz.

  5. Schuld sind immer die Mitarbeiter

    ….In einer ersten Reaktion gegenüber der APA kündigte die Geschäftsführung von Media Markt und Saturn Österreich an, ihre Mitarbeiter künftig besser schulen zu wollen…… braucht man dazu noch etwas sagen 🙂

    …..Außerdem wird betont, dass „Media-Saturn als Unternehmensgruppe zu keinem Zeitpunkt Preisabsprachen veranlasst hat….. aber das Urteil wird anerkannt 🙂

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