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Freitag, 29. März 2024
Das Gehirn, die faule Sau

Wo geht die Reise hin?

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 24.06.2018 | |  Archiv
Das Tun wird uns zunehmend abgenommen. Und auch das Denken. (Bild: Dieter Schütz/ pixelio.de) Das Tun wird uns zunehmend abgenommen. Und auch das Denken. (Bild: Dieter Schütz/ pixelio.de)

Wir leben in einer Zeit, in der uns ein Lebensmittelkonzern seit Jahren versucht Hausverstand einzutrichtern, wir diesen aber zusehends ablegen, wie mir scheint. Und während wir Menschen immer dümmer werden, werden die Maschinen und Geräte immer „intelligenter“ ...

(Bild: Dieter Schütz/ pixelio.de)

Haben sie letztens zufällig den Artikel über den 16-jährigen Münchner gelesen, der alleine daheim war und verdächtige Geräusche aus einer anderen Etage des Hauses hörte? Er ging davon aus, dass es sich um Einbrecher handelt und sprang kurzerhand aus dem Fenster im 2. Stock. Dann rettete er sich zum Nachbarn, der rief die Polizei und diese rückte inklusive Polizeihund auch sogleich an um den vermeintlichen Einbrecher zu schnappen. Tat sie auch: einen festgefahrenen Saugroboter … Diese Story kommt in meine „moderne Mythen“-Sammlung, wo sich ua. auch schon die Geschichte von der Frau findet, die ihre Katze zum Trocknen in die Mikrowelle steckte.  

Wir leben in einer Zeit, in der uns ein Lebensmittelkonzern seit Jahren versucht Hausverstand einzutrichtern, wir diesen aber zusehends ablegen, wie mir scheint. Und während wir Menschen immer dümmer werden, werden die Maschinen und Geräte immer „intelligenter“. Wie sehr die Entwicklungen fortgeschritten sind, demonstrierte unlängst Google. Der Konzern hat eine Technologie namens „Duplex“ entwickelt, die Nutzern lästige Anrufe abnehmen soll und es ist unglaublich: „Duplex“ senkt und hebt die Stimme, da sind scheinbare Denkpausen zu hören, ab und zu ein gemurmeltes „Mhmm“ und unvermittelt auftretende Sprechpausen. In der Kombination hat man das Gefühl, die KI höre ihrem Gegenüber wirklich zu, würde nachdenken, dem Gesprächspartner Gelegenheit geben, das Gesagte zu verstehen – wie ein echter Mensch. Das Können von Duplex wurde recht beeindruckend in Form von zwei Anrufen veranschaulicht, bei denen zum einen ein Frisörtermin vereinbart und zum anderen ein Tisch in einem Restaurant reserviert wurde. Die Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung merkten tatsächlich nicht, dass sie mit einer künstlichen Intelligenz telefonierten (nachzuhören im Internet), weswegen sich Duplex künftig schon zu Beginn der Telefonate als digitaler Assistent bzw. AI outen muss, um etwaige Missbrauchsverdachte (die zum Teil natürlich schon laut wurden) bereits im Keim zu ersticken.

Aber es geht weit darüber hinaus. Nächstes Jahr soll der vierbeinige „Roboter-Hund“ SpotMini auf den Markt kommen, der optisch stark an den Roboter AMEE aus dem Film „Red Planet“ mit Val Kilmer erinnert. SpotMini ist im Gegensatz zu AMEE (der gegen Ende des Filmes übrigens völlig ausflippt und einen Großteil der Protagonisten umbringt) allerdings nicht auf Kampf programmiert, sondern soll Türen öffnen, sich im Laufschritt über ebenen Boden bewegen und problemlos Treppen meistern können.

Oder haben Sie schon vom neuesten humanoiden Roboter namens Pepper gehört? Dieser verblüfft nicht nur durch seine Mimik und Sprachbegabung, sondern er kann auch auf menschliche Emotionen reagieren, wodurch er laut Hersteller SoftBank Robotics auch als smarter Mitarbeiter im Einzelhandel eingesetzt werden kann. Faszinierend (und irgendwie gruselig) ist auch der Service-Roboter ARMAR-6, der seinen menschlichen Kollegen nicht nur mit Hammer oder Bohrmaschine zur Hand gehen, sondern auch durch pure Beobachtung (!) den Gebrauch neuer Werkzeuge erlernen kann.

Das Tun wird uns zunehmend abgenommen. Und auch das Denken. Wobei: Angesichts der Tatsache, dass wir am Tag tausende Entscheidungen treffen eigentlich gar keine schlechte Aussicht. Das würde bedeuten, dass ich mir künftig viele Dinge nicht mehr selbst überlegen muss. (Scherz!) Wenn ich an diese vielen kleinen Entscheidungen denke, die ich jeden Tag aufs Neue treffe, fällt mir ein: Wenn man schon bei sich selbst oft nicht weiß, wo der Weg hingeht, wie soll man es dann bei den Kunden wissen was sie wirklich wollen? Das herauszufinden ist gar nicht so einfach, geben sogar die unzähligen Experten zu, die sich tagtäglich damit beschäftigen. Der Hirnforscher Hans-Georg Häusel erklärte so treffend: „Unser Gehirn ist eine faule Sau“, was impliziert, dass Unternehmen auch ihren Kunden das Denken abnehmen müssen.

Aber was führt uns nun wirklich zu unseren Kaufentscheidungen? Als größten Kaufantrieb benannte Häusel den sozialen Vergleich. So strebt der Mensch danach, sich von anderen durch besondere Produkte abzuheben. Entscheidend sei auch der jeweilige Typ Mensch. Bei einem Hedonisten müsse man andere Knöpfe drücken als bei einem Disziplinierten. Es gilt also, herauszufinden, welchen Typ Mensch man ansprechen möchte. Als allerwichtigsten Punkt hob Häusel jedoch den persönlichen Kontakt hervor und das bestätigen auch die beiden von mir interviewten Händler in der aktuellen E&W-Ausgabe (6/2018, S. 8-10, S. 32-34). „Der Kunde will den stationären Einkauf, die Begegnung und Beratung, das Gespräch, das Sehen und Fühlen, denn das schafft Emotion.“ Das sind doch trotz der teils verstörenden Entwicklungen recht gute Aussichten für den stationären Handel, finden Sie nicht auch?

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